„HOW TO ROB A BANK“ (2024) | Filmreview
Bezug zu Jackie Chan: keiner vorhanden
Wie man Kriminelle glorifiziert…
Mithilfe von Uni-Ausrüstung Meth hergestellt und an die Hell’s Angels verkauft, vor seinem Abschluss vom College geflogen, dann ein mehrstöckiges Baumhaus gebaut und nie wirklich gearbeitet – das ist nur in Seattle möglich und ist Stoff für eine typische Netflix-Dokumentation.
Dokumentationen beruhen, im Gegensatz zu den meisten fiktiven Filmen, auf wahren Begebenheiten. Eine Dokumentation soll also den Zweck des historischen Aufarbeitens von Ereignissen dank journalistischer Mittel erfüllen. Dabei eine objektive Sicht zu wahren, ist das schwierigste Unterfangen von Filmemachern und selten in vollem Umfang realistisch umzusetzen.
Der Unterschied zwischen einem Spielfilm und einer Doku ist demnach nicht, dass beide eine Story mit Konflikten erzählen, sondern dass eine Doku objektiv bleiben muss. Ist sie es nicht, bedient sie ein Narrativ. Ob gewollt oder unbewusst, dieses Problem haben sehr viele Netflix-Dokus. So auch „HOW TO ROB A BANK“ (2024).
Sie erzählt die Geschichte des dreisten Bankräubers SCOTT SCURLOCK, der Anfang der 90er Jahre in Seattle sein Unwesen trieb. Doch bevor wir die Hauptfigur überhaupt kennenlernen, werden uns von den Filmemachern jede Menge Nebenfiguren und Rahmenbedingungen um die Ohren geworfen, die mit der eigentlichen Sache nichts zu tun haben.
Direkt zu Beginn kommt die damals leitende FBI-Agentin ELLEN zu Wort. Zugegeben eine wichtige Figur, wenn es um eine Bankraubstory geht, denn schließlich muss ja jemand den Strolch fassen. Doch anstatt sich mit dem Fall zu befassen, lenkt sie selbst erstmal den Fokus darauf, dass sie eine Frau ist und vier Kinder hat. Und nun? Männliche Agenten haben auch Kinder, bei ihren Kollegen wird dieser familiäre Hintergrund aber unterschlagen.
Schon klar, man will eine Frau in einer leitenden Position, die zudem noch Mutter ist, dank Frauenquote in den Vordergrund spielen. Aber dass das eben so offensichtlich getan wird und damit eben vom eigentlichen Sinn der Doku wegführt, nervt nur. Das schlimme aber ist, dass die FBI-Agentin im von Netflix selbst aufgebauten liberalen Narrativ nicht gut wegkommt:
- Ihre Ermittlungen gehen von Anfang an in eine falsche Richtung und ihre Kollegen denken anders über den Fall, richtig, wie sich später herausstellt.
- Erst nach Jahren, so ELLEN selbst, fällt ihr auf, dass jetzt aber endlich mal was passieren müsse. Also haben ihre vorherigen Ermittlungen leider nicht gefruchtet.
- Sie bekam als letzte mit, dass Scott in seinem letzten großen Überfall vor Ort war. Während der Verfolgungsjagd wird sie in gezeichneter Form kauernd auf dem Rücksitz gezeigt und gibt ihren Kollegen nicht mal Feuerschutz.
- Als der Fall endlich zu den Akten kann, stellt sie sich die Frage, ob sie die richtige für den Job war.
Nun darf man meine Herleitung nicht als frauenfeindlich ansehen. Hier geht es mir lediglich um die Art und Weise, wie Doku gemacht und von Netflix benannt wird. Wenn man einen Helden in einer Story einführt, dann sollte er oder sie auch heldenhaft agieren, als Gegenpol zum Bösewicht. Tut er oder sie das nicht, ist er oder sie vielleicht nicht der Held.
Und genau das wird im Verlauf der Dokumentation deutlich, wie schon in so vielen Netflix-Dokumentationen zuvor, in denen zwanghaft versucht wird, pseudo-progressive Elemente aller sogenannter Randgruppen zu integrieren, damit sich jeder vertreten fühlt. Der Kern der Sache fällt meist hinten runter. Demnach sind diese Art von Dokus für mich persönlich zu einer Art Mockumentary geworden. Denn sie verohnepiepeln das journalistische Genre der Doku geradezu.
Aber weiter im Text. Nachdem wir also anfänglich mit ausreichend Agenda geframt werden, wird erklärt, warum gerade Seattle in den 90ern ein Magnet für Banküberfälle war. Dank des naheliegenden Silicon Valley expandierten Unternehmen um Bill Gates, Jeff Bezos und auch Firmen wie Starbucks und ließen ihre Gelder in Seattle verwalten. Der Tech-Boom führte zu einem Bankenwachsen und demnach auch für mehr Überfälle. Denn zeitgleich fand ein Kampf gegen das Establishment statt, das unter anderem in dem in Seattle gegründeten Musikgenre Grunge Ausdruck fand.
Netflix macht es geschickt und lässt uns Glauben, dass das Geld in Seattle nur den Reichen gehöre, die ja genug davon haben. Denn schon kurz darauf wird endlich die Hauptfigur vorgestellt, der Bankräuber Scott Scurlock, mit dem wir jetzt sympathisieren sollen. Er wird sogar als Robin Hood dargestellt, was sein Komplize im Interview allerdings verneint; für ihn sei er jemand, der nur frei leben wollte. Die ersten wahren Worte im Film, die die generelle Heuchelei der linken Hippies zutage fördert: Frei sein von Besitz, aber Kapital aus anderer Leute schlagen.
Der Individualismus dient hier als Musterbeispiel und Hetzkampagne gegen den Kapitalismus, sind doch beides Seiten derselben Medaille. Beim Sichten der Doku wird einem klar, dass Scott Scurlock vielleicht kein böses Genie war, sondern eher hochintellektuell und schnell unterfordert. Warum sonst hätte er eine steile Karriere als Arzt fallen lassen sollen? Er wollte lieber abenteuerlich sein Leben leben, und das sei ihm gegönnt. Bis zu dem Punkt, wo andere unter seinem Narzismus leiden, denn das Geld in den Banken von Seattle gehörte zum großen Teil der arbeitenden Bevölkerung, die hier mit keinem Wort Erwähnung findet.
Scott lebt also in seinem selbstgebauten Baumhaus und lädt einen Kumpel ein, bei ihm zu wohnen, nachdem der eine Scheidung hinter sich hat und als Künstler neue Wege gehen will. Bei dutzenden Raubzügen wird er so Scotts Komplize und wünscht ihm zum Ende dann doch seinen Tod. Wow, solche Freunde will man nicht haben. Es kommt mir fast so vor, als wollten die Menschen in Scotts Leben, seien es Familienmitlgieder oder Freunde, gar nicht wissen, wer dieser Mensch wirklich ist, solange er genug Geld hat, es verschenkt und so tut, als sei alles in Ordnung. Newsflash: Die meisten Menschen fühlen sich in der Lüge wohl.
So wurde Scott von seiner Schwester schon als Kind als „Meister der Desinformation“ genannt und sie dachte ab einem gewissen Punkt, er arbeite fürs CIA. Das gesamte Wording der Doku wie „mit den Überfällen konnte man viel Geld verdienen“ oder „Scott hat viel mit seinem Geld gemacht“ zeigt, dass hier eine Meinung verbreitet wird und Kriminelle zu Antihelden mit all ihren Fehlern glorifiziert werden. Die Gesellschaft sei ja schuld an ihren Taten. Unterstellung? Sein Komplize drückt es am Ende so aus: „Ich war froh, dass es vorbei war und wir geschnappt wurden, ich konnte nicht mehr“. Doch, er hätte jederzeit die Entscheidung treffen können, aufzuhören. Doch das tun Liberale ungern, denn jammern und Verantwortung wegschieben ist angenehmer.
Meine Worte wirken hier sehr harsch, das ist mir bewusst, aber wie soll man eine Dokumentation bewerten, die einem eine Meinung, ein Narrativ aufdrücken will? Es kommen Kriminelle zu Wort, die 21 Jahre in Haft waren und dennoch stolz auf das sind, was sie erreichten. Es wird eine Seite erzählt. Keiner der Opfer, bis auf einen Bankangestellten, kommt ausgiebig zu Wort. Von der Vorgehensweise der Ermittlung ganz zu schweigen.
Es ist und bleibt Meinungsmache, die die Mitleidsmasche fährt. Das muss einem beim Ansehen von vielen Netflix-Dokus bewusst sein. Man bekommt nicht die Wahrheit dokumentiert, sondern eine wahre Perspektive nacherzählt. Wem das als Doku reicht, der ist hier gut unterhalten. Wer zwischen den Zeilen lesen will und typische Netflix-Zeitgeist-Elemente wiedererkennt, kann sich auf dieser Ebene Unterhaltung gönnen. Denn technisch schlecht gemacht ist „HOW TO ROB A BANK“ nicht. Das Konzept wird aber bald ausgereizt sein.
Achja, und um noch eine Meta-Ebene zu öffnen, wählt Netflix natürlich seine Storys so, dass der Bogen zum schäbigen Hollywood gespannt werden kann. So lautet nämlich der Spitzname des Bankräubers. Zudem werden die Filme „GEFÄHRLICHE BRANDUNG“ (1991) und „HEAT“ (1995) zitiert.
Typische 5,5 von 10 Sternen
Deutscher Trailer | „HOW TO ROB A BANK“ (2024)
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