Ninjas & Fighting Fists: Sonny Chiba und Jackie Chan zusammen in einem Film?

Ninjas & Fighting Fists: Sonny Chiba und Jackie Chan zusammen in einem Film?

11. Mai 2023 Aus Von Thorsten Boose

Von Sonny Chiba und Jackie Chan gibt es nur wenige gemeinsame Fotos. Was den japanischen „Street Fighter“-Schauspieler und den Hongkonger „happy go lucky“-Star allerdings seit Jahrzehnten verbindet, ist ein hartnäckiges Gerücht eines gemeinsamen Films: „Ninja Wars“ (1982).

Sonny Chiba, eigentlich Shin’ichi Chiba (千葉 真一), wurde am 22.01.1939 in Japan geboren (verstorben am 19.08.2021 ebenda) und durch seine „Street Fighter“-Filmreihe in den 1970ern berühmt. Ausnahmeregisseur Quentin Tarantino war von seiner Arbeit so begeistert, dass er ihn als Hattori Hanzo in seinen beiden „Kill Bill“-Filmen engagierte.

1982 hatte Sonny Chiba einen Auftritt im japanischen Fantasy-Epos „Ninja Wars“, der in seiner Filmografie zwar keinen großen Stellenwert einnimmt, aber seit den 1990ern mit einem Gerücht belegt ist. Abgesehen von dem wirklich bildgewaltigen Ninja-Film soll kein Geringerer als Jackie Chan persönlich mit Sonny Chiba in diesem Film zusammengearbeitet haben.

Bevor ihr jetzt aufhört zu lesen und euch den Film anschaut, ihr werdet Chan höchst wahrscheinlich nicht finden. Und das obwohl Jackie Chan „persönlich“ in seiner Autobiografie „Jackie Chan – Ein Leben voller Action“ von 1998 darüber schreibt:

„Ich habe nur einen Gastauftritt, wollte aber nicht die Gelegenheit verpassen, mit dem japanischen Kampfsportler Sonny Chiba zusammenzuarbeiten, der in den 1970er Jahren durch die Street Fighter-Reihe bekannt wurde.”

Ein Cameo, also ein Gastauftritt, lebt eigentlich von der Tatsache, dass man den Gastschauspieler erkennt; Ausnahmen sind zum Beispiel „hidden cameos“, also versteckte Gastauftritte, wie im Star-Wars-Universum. Somit lässt sich ein Film dank populärer Namen besser vermarkten und lockt mehr Zuschauer in die Kinos. Doch im Fall von „Ninja Wars“ (1982) ist im gesamten Film kein Jackie Chan zu erkennen.

Hierfür gab es in der Vergangenheit innerhalb der Online-Fan-Gemeinde ein paar Theorien, von denen ich hier nur mal zwei erwähnen möchte:

  1. Jackie Chan sei aus der internationalen Fassung herausgeschnitten worden.
  2. Jackie Chan habe einen der maskierten Ninjas gespielt.

Fakt ist, dass Jackie Chan nicht in den Credits von „Ninja Wars“ (1982) erscheint – Sonny Chiba allerdings auch nicht. Und der ist gut erkennbar zu sehen. Wurde Chan also aus Szenen herausgeschnitten? Aus künstlerischer Sicht mag das Sinn ergeben, wenn diese Szenen die Story nicht voranbringen und die Macher tatsächlich den Mumm hatten, den damaligen Star aus Hongkong aus einem Film mit seinem Idol Chiba zu cutten.

Mittlerweile gibt es den Streifen, der eine Sichtung meiner Meinung nach wert ist, in verschiedenen Releases weltweit und bisher wurden keine gelöschten Szenen mit Jackie Chan entdeckt. Und ein „uncredited“ Schauspieler bedeutet nicht gleichzeitig ein Gerücht.

Oft agieren Schauspieler aus einem Gefallen heraus und werden vertraglich nicht genannt, um zum Beispiel Gewerkschaften nicht auf sich aufmerksam zu machen – das dürfte aber wohl eher im streng reglementierten Hollywood zutreffen als im Japan der 80er Jahre.

Die zweite Theorie des maskierten Ninjas scheint noch weniger überprüfbar zu sein. Man muss sich die Frage die Stellen, warum Jackie Chan das hätte tun sollen. Als „Ninja Wars“ (1982) erschien, war „Dragon Lord“ (1982) längst aus allen Kinos draußen und Jackie Chan bereits mit „Project A“ (1983) schwer beschäftigt. Er stand bei Golden Harvest unter Vertrag, und wenn ein Angebot mit Sonny Chiba in Japan hereingeflattert wäre, hätten Raymond Chow und Willie Chan sicher dafür gesorgt, dass die ganze Welt es erfährt.

So neu ist der Gedanke eines maskierten Cameos von Chan allerdings nicht, denn genau das hatte er 1977 im taiwanesischen Kung-Fu-Film „The Face Behind The Mask“ von Freund und Kollege Chen Chi-Hwa gemacht. Hier tat er Chen Chi-Hwa einen riskanten Gefallen und sprang für den maskierten Kämpfer im Film ein, obwohl beide wussten, dass er vertraglich an Lo Wei gebunden war.

I was, am and will be Jackie Chan

Was hat es also mit dem Eintrag von „Ninja Wars“ (1982) in Jackie Chans Autobiografie von 1998 auf sich, wenn wir davon ausgehen, dass er und Sonny Chiba damals nicht gemeinsam vor der Kamera standen? Ich sehe hier zwei logische Möglichkeiten:

  1. Man hat sich im Titel geirrt.
  2. Es ist schlichtweg ein Fehler.

Irren ist menschlich und deshalb kann der zweite Punkt absolut logisch erklärbar sein. Vor allem, wenn man sich die Entstehungsgeschichte von Jackies Autobiografie ansieht. Mitte der 1990er Jahre unterschrieb er bei der US-Agentur William Morris, die sich um die Vermarktung von Jackie Chan in den USA und dem gesamten Westen konzentrierte. So wurden nicht nur ältere Chan-Filme neu synchronisiert und in die US-Kinos gebracht, sondern man wollte ihn mit seiner Lebensgeschichte in Buchform auch auf Lese- und Interviewtour schicken.

„I Am Jackie Chan – My Life In Action”, das im Sommer 1998 erschien, entstand mit dem Ko-Autor Jeff Yang, dessen Sohn Hudson Yang (*2003) später mit der Hit-Sitcom „Fresh Off The Boat“ (2015-2020) neben Randall Park und Constance Wu seine eigene Schauspielkarriere startete. Papa Jeff Yang war zum Start der Arbeit am Buch mit Jackie Chan erst 29/30 Jahre jung und musste Gas geben!

Nur ein paar persönliche Treffen mit Jackie Chan standen auf seinem Zeitplan, denn Jackie musste sich seiner Filmkarriere widmen. Um Yang aber genügend Informationen mit auf den Weg zu geben, um ein unterhaltsames Buch zu schreiben, übergab Manager Willie Chan dem jungen Autoren Unmengen an vorgefertigten Unterlagen. Sicherlich kam es während der Gespräche und dem horrenden Informationsaustausch auch mal zu Missverständnissen.



Davon gehe ich aus, weil in all den Jahren vorher kein Wort von einem gemeinsamen Film mit Jackie Chan und Sonny Chiba im Raum stand. Aber woher stammen die vorgefertigten Unterlagen von Willie Chan über seinen Schützling? Viele Fans heutzutage wissen nicht, dass Jackie schon vor seinem internationalen Durchbruch mit „Rush Hour“ (1998) eine starke Fan-Gemeinde auf der ganzen Welt hatte. Natürlich in Hongkong, aber vor allem auch in Japan.

In Japan wurden Jackies Hit-Filme „Snake In The Eagle’s Shadow” (1978), „Drunken Master” (1978), „The Fearless Hyena” (1979) und „The Young Master” (1980) nacheinander ab 1979 veröffentlicht und bereits 1981 war er im Land der aufgehenden Sonne ein Megastar – vor allem für die weiblichen Fans. Manager Willie Chan und seine Studiobosse Raymond Chow und Leonard Ho wussten um die Einnahmen, die sie auf dem japanischen Markt erzielen konnten, also ließen sie Jackie Chan kurzerhand etwas Japanisch lernen, um die Mädels dort zu erfreuen und luden Fotografen und Reporter regelmäßig nach Hongkong ein.

Einer von Jackies Lieblingsfotografen wurde Sumio Uchiyama, kurz Uchi, der ihn viele Jahre auf seinen Reisen begleitete und einige Fan-Bücher für Chan illustrierte. Und genau hier wird es spannend, denn bereits 1984, mit gerade einmal 30 Jahren, veröffentlichte Jackie Chan seine allererste Autobiografie exklusiv in Japan! Der Titel: „Love You, Pao Pao“ (愛してポーポー).

Schon zwei Jahre zuvor, also 1982, wurde der Internationale Jackie Chan Fan Club in Hongkong gegründet, der dank des Hypes in Japan zweisprachige Fan-Magazine mehrmals im Jahr veröffentlichte; auf Japanisch und Englisch. Das internationale Interesse wuchs, selbst Deutschland hatte schon 1982 eine eigene offizielle Vertretung des Fan-Clubs. Und die Fans wollten Geschichten lesen. Hier kam das Marketing-Genie Willie Chan ins Spiel.

Zusammen mit seinem Team schrieb er ein Standardwerk über Jackie Chan nieder, das fortan nicht nur im Fan-Club-Magazin veröffentlicht wurde, sondern auch in internationalen Zeitungen, TV-Dokus, Interviewanfragen und schließlich in Jackies offizieller zweiten Autobiografie von 1998 aufgearbeitet wurde. Das Basiswerk hieß „My Childhood“ und erzählt in zehn Episoden den Werdegang eines jungen Jackie Chans. In späteren Screen-Power Heften wurde diese Geschichte erneut, mit der offiziellen Genehmigung der JC Group, für Fans der nächsten Generation abgedruckt. Sie ist die Basis für Jackie Chans „I Am Jackie Chan – My Life In Action”.

Nun könnte man davon ausgehen, dass der Film „Ninja Wars“ (1982) im Buch „Love You, Pao Pao“ (1984) irgendwo erwähnt wird. Es gibt im Buch tatsächlich eine Rubrik mit aktuellen Events und einer Filmliste*. Dort taucht weder „Ninja Wars“ (1982) noch eine mögliche Zusammenarbeit mit Sonny Chiba auf. In keinem der Fan-Club-Hefte der damaligen Zeit existiert auch nur ein Hinweis darauf, dass diese beiden Filmlegenden zusammengearbeitet hätten. Und das wäre, in Anbetracht der Reichweite auf dem japanischen Markt, eine echte Sensation gewesen.

Und ja, ich habe alle Fan-Club-Hefte in meinem Besitz (außer das dubiose #1, was eigentlich nur ein Brief war).

Jede Jackie Chan International Fan Club Magazine Ausgabe (von Thorsten Boose)

*Anmerkung: Ich habe noch nicht das ganze Buch übersetzt. Wer es also besser weiß, vielleicht sogar japanische Fans, möge mich hier bitte korrigieren. Vielen Dank!

1982 oder 1992?

Wenn es aber kein Fehler war und man sich lediglich im Titel geirrt hat, haben wir Fans und Historiker Jahre lang an der falschen Stelle gesucht. Tatsächlich will ein Autor des japanischen Wikipedias wissen, dass es einen anderen Film mit Sonny Chiba und Jackie Chan gibt.

Er heißt „Fighting Fist“ und stammt aus dem Jahr 1992. Der Film läuft auch unter den Pseudonymen „Lady Cop In Fury“ und „Bully“. Der Originaltitel in Hongkong lautet „霸道縱構“. In Japan wurde er als „Haken“ (HAKEN 覇拳/振り向けば修羅) nur auf VHS veröffentlicht. Und hier wird es interessant, Zitat Wikipedia:

„In Japan nur auf VHS erschienen. Im japanischen Trailer stattet Jackie dem Set einen Besuch ab und es wird gezeigt, wie er mit Shin’ichi Chiba und anderen plaudert.“

(Originaltext: „日本ではVHS発売のみ。日本版予告編において、ジャッキーが撮影現場に表敬訪問し、千葉真一らと歓談する姿が紹介されている。“)

Jackie wird hier als unbenannter Martial-Arts-Choreograph gelistet (Originaltext: 武術指導(アンクレジット) ).

Wie so oft, gibt Wikipedia auch hier keine Quelle an. Bisher habe ich vergeblich nach einem japanischen Trailer des Films gesucht. Vielleicht hat das Fan-Kollektiv ja mehr Glück. Wer kann etwas dazu sagen? Habt ihr das japanische Band zu Hause oder gar den japanischen Trailer, in dem Jackie vorkommen soll?

Es ist nicht weit hergeholt, da der Film in Hongkong mit damals sehr bekannten Leuten wie Sibelle Hu, Chin Ka-Lok und Ken Lo gedreht wurde. Das würde zwar weiterhin bedeuten, dass Sonny Chiba und Jackie Chan noch nie gemeinsam in einem Film aufgetreten sind, aber das Rätsel um den seltsamen „Ninja Wars“-Eintrag wäre zumindest gelüftet. Und wie schnell wird aus 1992 ein 1982…?!

Wer nähere Informationen hat, möge sich bitte mit mir in Verbindung setzen. Bis dahin empfehle ich euch ein Filmreview zu „Fighting Fist“ (1992) von Paul Bramhall auf City on Fire (hier klicken).