Wie der Sohn so der Vater: Charles Chans Gastauftritte in Jackie Chans Filmen
Der Schauspieler und Regisseur Jackie Chan entstammt keiner Schauspielfamilie wie seine Hollywood-Kollegen Michael Douglas, Michael Keaton oder Charlie Sheen. Mit seinem Durchbruch Ende der 1970er Jahre sorgte er nicht nur dafür, dass seine Freunde und Stuntman-Kollegen Filmjobs bekamen, sondern er holte auch die verlorene Zeit mit seinem Vater an seinen eigenen Filmsets nach – manchmal auch vor der Kamera.
Als Jackie Chan 1961 der China Drama Academy unter der Leitung seines Meisters Yu Jim-Yuen beitrat, wusste er noch nicht, was dieser Schritt für seine Zukunft bedeuten würde. Seine Eltern, Vater Charles Chan Chi-Ping und Mutter Lee-Lee Chan, zogen jobbedingt nach Canberra, Australien, und übergaben das Sorgerecht Jackies neuem Meister. Viele Jahre kommunizierte die Familie Chan nur über Briefe und Audiokassetten, Ferngespräche mit dem Telefon waren teuer.
1971 verließ Jackie dann die China Drama Academy, an der er zehn anstrengende Jahre lang die Kunst der Pekingoper erlernt hatte, und war fortan auf sich alleine gestellt. Schon während seiner Ausbildung hatte er kleinere Auftritte in Hongkong-Filmen, doch ab sofort hieß es, sich täglich als Stuntman seine Brötchen zu verdienen.
Nach einigen Flops zog es Jackie zu seinen Eltern nach Australien, doch schnell rief ihn die Hongkonger-Filmbranche wieder zurück. Es dauerte nochmals ein paar Jahre, bis Jackie Chan 1978 endlich zum Star in Asien wurde. Mit dem Wechsel von Lo Wei Pictures zu Golden Harvest, der Produktionsfirma, die Bruce Lee weltweit berühmt machte, wurde er zum Megastar und konnte nun seine Kameraden, Freunde, Kollegen und die eigene Familie unterstützen, die ihm alle sooft geholfen haben.
Jackie Chans Vater wird vom Koch zum Filmstar
Sein erster Film für Golden Harvest war »The Young Master« (1980), dem 1982 nach fast zwei Jahren Produktionszeit endlich eine Semi-Fortsetzung namens »Dragon Lord« folgte. In seltenen Archivaufnahmen vom Set erkennt man Jackies Vater Charles Chan neben seinem Sohn, der gerade seinen 27. Geburtstag feiert. Mitten in der heißen Produktionsphase von »Dragon Lord«.
„Behind the scenes“-/Teaser-Trailer
In diesem speziellen Teaser-Trailer für den Film „Dragon Lord“ (1982) werden auch Aufnahmen vom Set des Films gezeigt. Man wollte das Hongkonger Publikum vorab schon richtig heiß auf den nächsten großen Jackie-Chan-Blockbuster machen. Das Besondere: Charles Chan feiert hier den Geburtstag seines Sohnes am Set.
Diesen sehr seltenen „Behind the scenes“-Teaser finden Fans auf der Blu-ray von 88 films.
Diese Aufnahmen sind die frühestens, die den Vater Jackie Chans zusammen mit ihm an einem Filmset zeigen. Schon damals war Charles Chans Markenzeichen sein Schnauzer und seine Pfeife; Jahre später ergänzte er seinen Look um einen Hut.
Im Film selbst ist Charles Chan nicht zu sehen, wieso auch, schließlich besuchte er nur seinen Sohn an seinem zweiten großen Filmset. Doch was im selben Jahr nach der Veröffentlichung von »Dragon Lord« 1982 geschah, könnte man nicht besser in ein Drehbuch schreiben: Charles Chan hat einen Gastauftritt als kämpfender Koch in der Action-Komödie »Kung Fu Cook«.
Interessant ist, dass Charles Chan Chi-Ping, nachdem er Anfang der 1950er Jahre vom Festland Chinas nach Hongkong flüchtete, eben dort eine Anstellung als Koch beim französischen Konsulat auf dem Victoria Peak fand – ohne überhaupt kochen zu können! Er brachte sich alles selbst bei und wurde schnell zum Chefkoch des Konsuls befördert. Als sein Sohn Chan Kong-Sang alias Jackie Chan geboren wurde, lehrte er ihn schon früh die Kunst des Kung Fu, während er auf dem Victoria Peak ranghohe Offizielle bekochte.
Wie der Vater so der Sohn: Jackie Chan besuchte nie eine Filmakademie. Er lernte alles, was er heute über Film weiß, an Filmset durchs Ausprobieren und Reden mit den Fachleuten.
Ungewollt im Rampenlicht
Wie Charles Chan zu der kleinen Filmrolle in »Kung Fu Cook« (1982) kam, ist nicht überliefert. Wahrscheinlich war es ein Gefallen für seinen Sohn und einen Schulkameraden von damals, Yuen Miu, mit dem Jackie jahrelang an der China Drama Academy gelebt hatte und der bei diesem Film die Action choreographierte. Fakt ist aber, dass dieser Gastauftritt der einzige des Chinesen ist.
In den nächsten Jahren begleitete er seinen Sohn öfter um die ganze Welt, um ihm eine moralische Stütze am Filmset sein zu können. So war Charles Chan auch bei dem gefährlichen Kirchturm-Stunt in „Project A“ (1983) anwesend. Jackie platzierte seinen Vater sogar bewusst unten als Statist. Doch wie er am 29. Januar 1996 bei dem Event „An Evening with Jackie Chan“ im Rubloff Auditorium in Chicago bestätigte, wurden die Szenen nicht verwendet, weil Jackie sich tagelang nicht traute, den Stunt durchzuziehen. Am Drehtag selbst, durch Druck von Sammo Hung, war sein Vater dann leider nicht mehr anwesend.
Während Charles Chan immer schon sehr rastlos und reiselustig war, blieb Jackies Mutter Lee-Lee Chan lieber zuhause in Canberra. Es gibt die Geschichte, dass Lee-Lee Chan seinen Sohn bei den Dreharbeiten zu »Dragon Lord« (1982) besuchte, wahrscheinlich zu oben genanntem Anlass. Als Jackie sich bei einem Stunt verletzte und blutete, soll die arme Frau ohnmächtig geworden und zurück ins Hotel gebracht worden sein. Fortan wollte sie nicht mehr bei den nervenaufreibenden Filmdrehs ihres Sohns dabei sein.
Wer könnte es ihr verübeln?
1986 wurde aber Jackies Vater erneut auf Zelluloid gebannt, wenngleich eher ungewollt. Bei einem eher leichteren Stunt im damaligen Jugoslawien rutschte Jackie von einem Baum und stürzte metertief ins Geäst. Er verletzte sich schwer dabei, das gesamte Team sowie sein Vater rannten auf ihn zu und luden ihn in einen Jeep, mit dem man ihn ins Krankenhaus brachte. Der Sturz hätte Jackie Chan das Leben kosten können. Charles Chan war die ganze Zeit an der Seite seines Sohnes.
Bewusst positioniert
Nach diesem Schock erholte sich Jackie zwar für ein paar Wochen im Krankenhaus, doch jährlich folgten weitere Action-Blockbuster dieses Draufgängers. So auch 1988 mit »Police Story Part II«. In einer Szene zu Beginn des Films fahren Jackies Figur Kevin Chan und Maggie Cheung als May in ihrem Auto nach Hause. In einer Einstellung, wie sie ihre Auffahrt hochfahren, erkennt man am linken Bildrand Charles Chan Chi-Ping durch die Nacht spazieren, mit Pfeife und Hut – demselben wie in »Armour Of God« (1986).
Es sollte beinahe auf den Tag genau zehn Jahre dauern, bis man Jackie Chans Vater erneut in einem Film seines Sohns erkennen konnte – wenn man ihn denn nicht übersah. Denn in einer kurzen Szene in »Rush Hour« (1998) sitzt Jackies alter Herr gemütlich auf einem Hocker vor einem Supermarkt und pafft genüsslich an seiner Pfeife unter seiner Mütze.
Im selben Jahr erschien auch die Dokumentation »Jackie Chan: My Story« auf Video. Hier spricht Jackie erstmals in einem Film über sich und seine Familie, nichtsahnend, was da in den nächsten Jahren noch auf ihn zukommen wird. Mit von der Partie war natürlich sein Vater Charles Chan.
Der Kreis schließt sich bei den Chans
Als Jackie Chans Mutter Lee-Lee Chan am 28. Februar 2002 im Alter von 85 oder 86 Jahren starb (ihr genaues Geburtsdatum ist nicht bekannt), drehte der Schauspieler gerade seinen Film »The Medallion«, der wegen der parallelen Dreharbeiten zu »The Tuxedo« (2002) erst 2003 ins Kino kam. Er bekam die traurige Nachricht und behielt sie für sich. Niemand im Team wusste, dass der sympathische »happy-go-lucky«-Star um seine Mutter trauerte.
Jackies Verlust löste in ihm einen Nachholbedarf seiner eigenen Geschichte aus. Wo komme ich her? Wer waren meine Eltern? Bloß zwei Fragen, die sich der Hongkong-Chinese jetzt noch intensiver stellte als zuvor. Über viele Jahre hinweg erzählte Charles Chan seinem Sohn immer mal wieder ein bisschen über seine eigene Vergangenheit. Doch erst um die Jahrtausendwende, verbunden mit Jackies Durchbruch weltweit und dem sich verschlechternden Gesundheitszustand seiner Mutter, war Charles Chan bereit, alle Karten auf den Tisch zu legen.
So entstand die preisgekrönte Dokumentation »Traces Of A Dragon: Jackie Chan & His Lost Family«, inszeniert von Mabel Cheung, in der Jackie seinen Vater zu Wort kommen lässt. Dies sollte der letzte Filmauftritt von Charles Chan Chi-Ping sein, bevor er am 26. Februar 2008 im Alter von 93 Jahren verstarb – zwei Tage vor dem Todestag seiner Frau Lee-Lee Chan.
Erkennen Sie die Mütze? Es ist dieselbe wie schon in »Jackie Chan: My Story« (1998), »Police Story Part II« (1988) und »Armour Of God« (1986).
Charles Chans Filmografie
1982: »Dragon Lord« (er selbst, nur im BTS-Teaser)
1982: »Kung Fu Cook« (Gastauftritt als der Kung-Fu-Koch)
1983: »Project A« (geplant als Statist in Kirchturm-Stunt-Szene, aber nicht gefilmt)
1986: »Armour Of God« (er selbst, nur in den Outtakes über dem Abspann)
1988: »Police Story Part II« (Statist als Spaziergänger)
1998: »Jackie Chan: My Story« (er selbst)
1998: »Rush Hour« (Statist als Mann vor dem Supermarkt)
2003: »Traces Of A Dragon: Jackie Chan & His Lost Family« (er selbst)
falsch verlinkt auf IMDB
2003: »Saints And Soldiers« (Executive Producer heißt Charles Chan, nicht Jackies Vater!)
2011: »6th March« (Der Schauspieler Chen Guan-Zhong (陳冠中) hat den westlichen Künstlernamen Charles Chan)
2015 entstand der Film „A Tale Of Three Cities“. Regisseurin Mabel Cheung erzählt hierin das spannende Leben von Jackie Chans Eltern Charles Chan, mit richtigem Namen eigentlich Fong Dao-Long, und seiner Mutter Lee-Lee Chan. Jackie besitzt die Rechte an der Geschichte, hat sonst aber nichts mit dem Film zu tun.
Es ist möglich, dass Charles Chan Chi-Ping noch in anderen Filmen seines Sohnes als Statist und/oder in diversen Outtakes, Bloopers, NGs und BTS-Aufnahmen (behind the scenes) zu erkennen ist. Sollten sich in Zukunft Hinweise dafür finden, werden diese natürlich mit Fotos hier ergänzt.