Frühes Interview mit Jackie Chan von 1979 auf japanischer Schallplatte veröffentlicht
Auch wenn Jackie Chan schon sehr früh im Hongkong-Kino Erfahrungen vor und hinter der Kamera sammelte, brauchte es doch einige Jahre, bis sich seine Arbeit auszahlte. Mit dem Erfolg von »Snake In The Eagle’s Shadow« und »Drunken Master« 1978 und dem dritten im Bunde »The Fearless Hyena« von 1979 wurde er schlagartig in ganz Asien berühmt und zum begehrenswerten Interviewpartner.
Wir schreiben den 30. Mai 1979 und befinden uns auf einer Pressekonferenz in Hongkong, die die vergangenen Erfolge und zukünftigen Pläne des neuen Superstars Jackie Chan beleuchten soll. Erst wenige Wochen zuvor feierte sein Film »The Fearless Hyena« (dt.: »Superfighter 3«) Megaerfolge an den einheimischen Kinokassen. Mit fast 5,5 Millionen HK-Dollar Einspielergebnis der lukrativste Chan-Film bis dahin.
Spätestens jetzt ist Jackie Chan nicht nur in Hongkong ein Star, sondern wird auch in ganz Asien als Blockbuster-Wunder in den Medien gehandelt. Verleiher reißen sich um seine Filme. Erst ein Jahr zuvor machte er auf sich mit den beiden von Seasonal Films, der Firma von Ng See-Yuen, auf sich aufmerksam: »Snake In The Eagle’s Shadow« (dt.: »Die Schlange Im Schatten Des Adlers«) und »Drunken Master« (dt.: »Sie Nannten Ihn Knochenbrecher«).
Exkurs zu den Hintergründen Lo Wei/Jackie Chan
Zur damaligen Zeit stand er noch unter Vertrag bei Lo Wei. Doch da hier ein Flop nach dem anderen die Projektoren der Kinos zum Rattern brachte, verlieh Lo Wei seinen Schützling resignierend an die Independent-Filmfirma Seasonal, die Jackie allen Freiraum zur Entfaltung gewährte und ihn so zum Superstar machte. Nach Erfüllung des Leihvertrags kehrte Jackie widerwillig zu Lo Wei zurück und beharrte auf sein Recht, den nächsten Film selbst zu inszenieren.
Der Erfolg von »The Fearless Hyena« gab ihm Recht und veranlasste Lo Wei dazu, einen im Jahr 1978 gedrehten Film mit Jackie, der noch nicht veröffentlicht wurde, ins Kino zu bringen, um so auf der Erfolgswelle mitzuschwimmen. So gelangte am 21. April 1979 »Dragon Fist« (dt.: »Dragon Hero«) in die Kinos und war mit knapp 1 Millionen HK-Dollar Einspielergebnis nicht unbedingt ein weiterer Hit für Jackie, doch nach Jahren der Misere mal ein finanzieller Erfolg für Lo Wei.
In meinem Artikel »Mysteriöser Cameo von Jackie Chan im Film „Fists And Guts“ (1979) von Regisseur Lau Kar-Wing?« (hier klicken) schreibe ich detaillierter zu der damaligen angespannten Beziehung zwischen Jackie Chan und Lo Wei. Interessant ist, dass das nachfolgende Interview mitten in diese Zeit fällt. Zu jenem Zeitpunkt könnte Jackie schon seinen, im obigen Artikel beschriebenen fatalen Fehler begangen und erneut bei Lo Wei unterschrieben und bereits seine »Flucht« geplant haben.
Interview-Auszug vom 30. Mai 1979
Wie halten Sie sich fit?
Ich mache nur wenig mit Gewichten, weil die gerne die Gelenke kaputt machen und manche Muskeln zu hart werden und man nicht mehr so flexibel ist. Nie zu viel, denn mit zu viel Muskelmasse kann man nicht gut springen. Ich trainiere überall, auch in den kleinsten Zimmern.
Seit wann machen Sie Kung-Fu?
Ich mache Kung-Fu seit ich 7 Jahre alt war.
Hat Ihr Lehrer Ihnen das beigebracht?
Ich hatte verschiedene Lehrer. Einer brachte mir den waffenlosen Kampf bei, andere wiederum den Umgang mit Schwert und Speer.
Beeinflusst Sie Ihre Ausbildung an der Pekingoper beim Film?
Ich denke ja, das tut sie. Kung-Fu und die Ästhetik daran, das will ich dem Publikum immer wieder präsentieren.
Über die Erfahrung als Schauspieler/Performer
Bis es zu einem Film kommt, lerne ich immer wieder neue Techniken. Ich habe Aikido gelernt, Karate und Judo, und alles ist irgendwie gleich, es ist halt Kampfsport, aber mit gewissen Unterschieden. Ich trainiere sehr hart.
Jackie Chans Nase
Die wurde bisher dreimal gebrochen.
Immer während des Drehs?
Das erste Mal brach ich mir die Nase, als ich Kung-Fu trainierte. Die anderen beiden Male dann am Filmset, ja.
War der Filmdreh so anstrengend?
Nun ja, wenn man beim Drehen »betrunken« spielen muss, hat das Folgen. Das war eine Szene, als ich durch die Luft flog und auf den Boden fiel. Nun ja, zu der Zeit gab es viele Blessuren.
Über Stuntmen
Ich greife nicht gerne auf Stuntmen zurück, ich möchte das lieber alles selber machen.
Über die Familie
Mein Vater war lange Zeit Koch, bis heute eigentlich. Ich habe sie [meine Eltern] seit längerem nicht mehr gesehen, sie fehlen mir sehr. Aber seit ich klein war, hat es mir eigentlich an nichts gemangelt. Ich hab zwar auch selbst Geld verdient, aber mein Vater gab mir noch etwas obendrauf. Mein Vater und meine Mutter kümmerten sich gut um mich. Heute habe ich Geld und möchte das alles irgendwie zurückgeben.
Was zeichnet für Sie einen echten Mann aus?
Lass dich nicht von jemand anderem vereinnahmen, mach deine eigenen Sachen, wie du es willst. Ich glaube, das macht einen guten Mann aus, dass man tut, woran man glaubt. Ein echter Mann muss nicht nur kämpfen, auch Büroangestellte, die ihrer Arbeit nachgehen, sind echte Männer.
Gibt es sowas, jemand der immer frei ist?
Für jeden Menschen muss es einen eigenen Weg im Leben geben. Ich hatte damals eine Minute Kung-Fu trainiert und liebte es. Das ist mein Weg. Sicher gibt es auch die eine Art für einen richtigen Mann zu leben. Aber man sollte nicht auf andere schauen.
Bezeichnend für diese Zeit ist, was Jackie auf die Frage nach der Freiheit eines Mannes antwortet: Man soll nur auf sich selbst vertrauen und niemandem nachlaufen. Genau das tat Jackie Chan, als er kurz darauf Lo Wei verließ und bei Golden Harvest unterschrieb. Der Rest ist Geschichte.
Das ganze Interview finden Sie in diesem Video. Leider bisher ohne englische oder deutsche Untertitel. Wenn Sie also Kantonesisch und Japanisch können und mir helfen möchten, melden Sie sich gerne bei mir (hier klicken) oder reichen Sie direkt auf YouTube passende Untertitel ein.
Veröffentlichung des Chan-Interviews auf Vinyl
Der obige Auszug stammt vom Booklet der Schallplatte »The Miracle Fist«, einer 12-Zoll-Langspielplatte, die von Columbia im Februar 1981 rechtzeitig zum japanischen Kinostart von »Shaolin Wooden Men« (1976) auf den Markt gebracht wurde. Die LP beinhaltet neben zehn Tracks, bestehend aus Songs und Filmauszügen der kantonesischen Fassung, auch ein Miniposter von Jackie Chan.
Die Musik, die unter das Interview gelegt wurde, ist die Instrumental-Version des Liedes »Broken Blossom« (ブロークン・ブロッサム), im Original gesungen von Yoshinori Shabana und komponiert von Takemi Shima und Tetsuji Hayashi.
Dass die Japaner solch ein Interesse an dem neuen Superstar hatten, dass sie dieses seltene Material sogar auf Vinyl pressten, kommt nicht von ungefähr. Nach den Erfolgen in Hongkong wurden Jackie Chans Filme nach ganz Asien vertrieben – die neuen, aber auch die alten Lo-Wei-Streifen. In Japan begann der Aufstieg folgendermaßen:
21.07.1979: »Drunken Master«
01.12.1979: »Snake In The Eagle’s Shadow«
19.04.1980: »The Fearless Hyena«
14.06.1980: »Spiritual Kung Fu«
06.09.1980: »The Big Brawl«
28.02.1981: »Shaolin Wooden Men«
21.03.1981: »The Young Master«
26.12.1981: »The Cannonball Run«
In knapp zweieinhalb Jahren erschienen so acht größere Filme mit Jackie Chan, die vor allem die Herzen der weiblichen Fans aus Japan brachen. In »The Cannonball Run« spielt Jackie sogar einen japanischen Mitsubishi-Fahrer und pflegte damals schon privat wie beruflich gute Beziehungen zum Geschäftsführer von Mitsubishi. Bis heute sind die japanischen Fans von Jackie Chan die treuesten und loyalsten weltweit.
An dieser Stelle einen herzlichen Dank für die stellenwweise Übersetzung des chinesischen Dokuments an Franziska Li (Yuanshan Li, 李苑珊) und Fabian Schweitzer.